Jonas Grubelnik

Durch die Gemeinde wird eine Grenze gehen, indem Jonas Grubelnik die Marktkirche mit einer textilen Installation durchzieht. „Ich“ und „Wir“ auf der einen Seite, „die anderen“ auf der gegenüberliegenden. Die Rauminstallation wird zum Ausprobieren einladen und zu Gedankenspielen. Mit dem „Wir“ entsteht ein Gefühl für „die anderen“. Doch was trennt wirklich? Viele Grenzen sind rein willkürlich und verschleiern den Blick aufeinander. Das interaktive Kunstwerk inszeniert Menschen im Raum und wird zum Spiegel für die Gesellschaft.

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Marktkirche, Wiesbaden

 

 

INTERVIEW

kunstinitiative / Christian Kaufmann: Ist das Deine erste Intervention für eine Kirche? Geht man bei einem solchen Kontext anders an eine Idee heran? Gab es etwas, das Dich an dem Kirchenraum besonders interessiert hat?

Jonas Grubelnik: Ich habe schon einmal in einem ehemaligen Kloster ausgestellt. Der Kontext spielt immer eine sehr große Rolle, die Idee ist mit ihm in ständiger Wechselwirkung. Ich habe die verschiedenen mir zur Verfügung stehenden kulturellen Aspekte in einer Art fluidem Prozess durchwandert.  Hierbei spielten soziale, politische und psychologische, historische  Rezeptionen z.b. genauso eine Rolle wie die bildnerischen Zeugnisse und Eingriffe die mir begegnet sind. Ich sehe es mehr als eine Intervention in einer Kirche, für möglichst alle. 

kunstinitiative / CK: Als Kunstwissenschaftler rufe ich natürlich bei Deiner Arbeit sofort historische Separierungen auf, die es wahrscheinlich in allen Religionen gegeben hat oder gibt. Auch in evangelischen Dorfkirchen wurde ja früher streng getrennt zwischen Männern und Frauen, zwischen gesellschaftlichen Schichten usw.Waren das auch Deine Überlegungen,  sprich, möchtest Du solche Kontexte noch mal aufrufen oder geht es Dir eher um die Schaffung einer optischen Trennung, eine Realität, die hinter einem Schleier verschwindet – und dadurch dann klarer wird? Anders gefragt: geht es bei der Arbeit eher um eine Grenzziehung oder um eine Erweiterung?

Jonas Grubelnik: In dieser Arbeit entstehen die Trennungen und Zusammenführungen weniger abhängig von den gesellschaftlichen Faktoren die du in deiner Frage ansprichst. Solang sie nicht extern forciert werden. Nichtsdestotrotz sind wir immer noch von ihnen durchdrungen. Ich wollte die Arbeit als eine Bildnerische Übersetzung einer Perspektive auf die Wahrnehmung des Ich, Wir, die Anderen, möglichst in einer solchen Weise umsetzen das sie unterschiedlichste Herangehensweisen zulässt. Brücken zu historischen Ähnlichkeiten zu schlagen ist eine Möglichkeit sich an ihr abzuarbeiten. Die eigentlichen Arbeiten entstehen in der Art und Weise wie die Betrachtenden an die bildnerische Umsetzung herangehen. Sie sind eingeladen die Arbeit politisch, psychologisch, sozial, persönlich, philosophisch oder historisch zu lesen und vergleichen. Es wäre schön wenn sich die Betrachtenden auch unverhofft in einer getrennten oder zusammengebrachten Situation wiederfinden.

kunstinitiative / CK: Was erhoffst du Dir von der Arbeit? Für Dich, aber auch für die Rezipienten?

Jonas Grubelnik: Ich erhoffe mir, das die Arbeit eine Erfahrung liefert die sich unter die vorhandenen Erfahrungen der Rezipienten gesellt und eventuell die Erfassung der Thematik "Ich, wir, die anderen" um eine bildnerische Dimension erweitert. 

kunstinitiative / CK: Der Entwurf liegt jetzt anderthalb Jahre zurück. Ist er für Dich eigentlich noch aktuell? Oder würdest Du heute, etwa aufgrund der Corona-Erfahrungen der letzten Monate eine andere Arbeit entwerfen?

Jonas Grubelnik: Der Entwurf ist vor dem Bekanntwerden der Pandemie und den notwendigen Eindämmungsversuchen entstanden. Der Impetus ist der gleiche ab die Lesbarkeit hat sich verändert.  Viele Rezipienten werden sich nun vielleicht als erstes an eine Corona-Schutzmaßnahme erinnert fühlen. Ähnliche Trennwände sind viel präsenter in unserem Alltag geworden. Je nachdem wie sich die Situation entwickelt, wird sie vielleicht auch als unangenehme Wiederholung, aus vor kurzer Zeit gelesen. Auch die Veränderungen im sozialen Austausch haben einen starken Eindruck, hinterlassen. Ich lasse mir Zeit bei der Aufarbeitung der Situation in der wir uns ja immer noch befinden.

Rein praktisch ist zum Beispiel die vorgeschriebene Gehrichtung in der Kirche, rechts rein, links raus, konträr zu der Hoffnung das die Menschen auch unbedacht, unverhofft und willkürlich von der Installation getrennt werden, wie es eventuell der Fall wäre wenn die Kirche durch den Haupteingang betreten wird. 

Die Frage ob ich die gleiche Arbeit mit den heutigen Erfahrungen genauso gemacht hätte, kann ich nicht beantworten. Das ist ein hochspekulatives Szenario. Ich von vor zwei Jahren gleichzeitig mit den Erfahrungen von heute ergibt ein für mich sehr verzwirbeltes Paradoxon :-)

 

 

LEBENSLAUF

Jonas Grubelnik
*1978 in Gronau an der Leine
Lebt und arbeitet in Kassel


Ausbildung

2018 Master of Fine Arts bei Prof. Florian Slotawa

2007-2018 Bildende Kunst / Kunsthochschule Kassel bei Prof. Dorothee von Windheim, Prof. Christian Phillip Müller, Prof. Florian Slotawa

 

Preise

2020
Kunstinitiative 2020/21 der EKHN

2017
Rundgangspreis der Universitätsgesellschaft Kassel e. V.

 

Ausstellungen

2021
„Die Anderen", Marktkirche, Wiesbaden

2020
​„Homework", Online, Kassel
„Singular Plural", Automat, Saarbrücken

2019-2020
„Zu Gast im Präsidium #8", Präsidium, Kassel

2019​
„Prince Davis Efevberha & Friends", Tokonoma, Kassel​

2018
„Eisen", Kunstraum Sauerland, Marsberg
„Sandmann lieber Sandmann", Stellwerk, Kassel

2017
„Gadamer", Fenster 9, Kassel
„In Sweet Succession: Material Matters“, Basis e.V.,  Frankfurt

2016
„no country for old men“, Evelyn Drewes Galerie, Hamburg

2015
„Bis gleich, bis gleich“, Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin
„Interventionen", Regierungspräsidium Kassel

2014
„Feucht durchgewischt“, Burg Dringenberg, Bad Driburg

2009

„Spaziergang“, Kunsthalle Fridericianum, Kassel

„Schnittmenge“, Kunstverein Weiden, Weiden

 

PORTFOLIO

Skulptur Eisen

Skulptur, Messing, Styroporplatten 2018

"Die Skulptur Eisen besteht aus etlichen Materialien die umeinandergewickelt sind. In der Mitte besteht sie von einem zum anderen Ende aus einem Messingrohr das mit meinem Atem gefüllt ist. Das Publikum kann durchpusten."

 

Paintings

Holzfaserplatte, Ölfarbe, Lehm, Alufolie, Silikon, Glas 2018

"Nachdem eines der Bilder ausgestellt wurde und wieder zu mir zurückkam erhielt es even-tuell eine weitere Schicht und wurde in der nächsten Ausstellung mit einer neuen Ober-fläche oder Rückseite präsentiert. Auch das Datum der Fertigstellung wurde dann nach hinten korrigiert. Bestanden die Bilder 2014 noch aus mehreren Schichten Ölfarbe auf Holz, begann ich ab 2015 mit verschiedenen Materialien zu exper-imentieren."